31.05.2015
Flüchtlinge aus den Krisen- und Hungergebieten Afrikas und des Nahen und Mittleren Osten strömen nach Europa und verstärken den Strom der Flüchtlinge vom Balkan und aus Nordosteuropa. Erzeugt wurden einige dieser Krisengebiete durch moralisch motiviertem aber fehlerhaftem Handeln des Westens. Und nun schleicht sich manche beteiligte Mittel- und Großmacht davon und will mit den Kollateralschäden nichts mehr zu tun haben. Und wir? Wir empören uns über die fehlende Hilfe für die Bootsflüchtlinge um gleichzeitig in Panik vor Überfremdung im Angesicht des wachsenden Zustroms zu verfallen. Die Gesellschaft entzweit sich und man fragt sich, wann es wieder so weit ist und die "Fremden" brennen?
"Politisch Verfolgte genießen Asylrecht."
(Art. 16, Abs. 2, Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Fassung von 1949)
bestimmten die Gründerväter der Republik. Ein rigoroses Recht für Ausländer das so kein anderer Staat kennt und kannte und schon gar nicht in seiner Verfassung begraben hat. Üblicherweise treten Staaten den internationalen Flüchtlingskonventionen bei und regeln das Feine in "einfachen" Gesetzen.
Im Auftrag der drei westlichen Besatzungsmächte wurde das Grundgesetz vom Parlamentarischen Rat und den Landtagen der drei Westzonen erarbeitet. Eine Volksabstimmung fand sicherheitshalber nicht statt. Dabei stellt sich die Frage, wieso diese Versammlung einen derartig moralischen Rigorismus an den Tag legte, wo auch schon damals das Elend der Menschheit auf unserem Globus so groß war, dass es unmöglich gewesen wäre alle Verfolgten bei uns aufzunehmen?
Nun, man konnte sich damals nicht vorstellen, dass es die Elenden dieser Welt in das zerstörte und am Boden liegende (West)Deutschland treiben würde. Und diese moralische Attitüde machte sich gut und gab damit den Nachbarn und auch den fernen Staaten eine Mitschuld am Massenmord Deutschlands an Juden, anderen Minderheiten und politisch Verfolgten: "Sie hätten diese Menschen ja vorher alle aufnehmen können". Eine Mär, die bis heute manche Ewiggestrigen fleißig kolportieren. Einige Nazis dachten damals wohl auch an ihre "verfolgten" Kameraden. Nach dieser Bestimmung hätte sogar Hitler, Heinrich, Himmler und Konsorten Asyl erhalten. Davon profitierten später auch ganz praktisch manche Führungseliten gestürzter diktatorischer Regimes. Ach, wie menschlich wir doch sind! Weltweit einmalig und gleichzeitig entwickelte sich eine weltweit einmalig große Bürokratie um die Asylanten auszusieben. Sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge durften verhungern.
Menschen deren Leben gefährdet ist, versuchen sich in "Sicherheit" zu bringen. Dabei sind die Ursachen unerheblich. Ob eine Verfolgung aus politischen, religiösen oder ethnischen Gründen vorliegt oder weil der Tod durch Verhungern, wegen der wirtschaftlichen Lage oder wegen Katastrophen oder durch Epidemien droht, spielt keine Rolle. Wer die Möglichkeit hat (Geld, körperliche Konstitution, Mut) versucht sich und seine Sippe in Sicherheit zu bringen, auch wenn der Tod nicht direkt droht. Es reicht die Aussicht seine Lage erheblich verbessern zu können, politisch oder wirtschaftlich. Das kann man aber oft nicht aus eigener Kraft. Deshalb bedient man sich der Menschenschleuser- und Schlepperbanden. Diese sind heute alle kriminell und gehören militärisch bekämpft im Gegensatz zu früher, als man bezahlten Fluchthelfern noch das Bundesverdienstkreuz verlieh. Und wo bleibt die Moral, wenn man unschuldigen Menschen beim Verhungern zuschaut, sich aber dafür einsetzt, dass der verfolgte Faschist in Sicherheit kommt? Es gibt eben keine moralisch akzeptable Methode hierbei zu unterscheiden. Und deshalb muss man diese Problematik nur praktisch und mit menschlicher Vernunft, die manchmal grausam ist, angehen. Denn seinen menschlichen Gefühlen darf man nicht unbeschränkt nachgehen. Dazu ist das Elend auf dieser Welt zu groß. Und es wird im Angesicht des explosiven Wachstums der Weltbevölkerung kaum kleiner werden. Beschleunigt wird alles noch durch eine Großmachtpolitik ohne Sinn und Verstand, mittels der Strategie trial and error, deren höchste Stufe der Erleuchtung sehr oft zum Einsatz von Drohnen und Cruise-Missiles führt. Das Ergebnis sind nicht selten gefallene Staaten in denen keine funktionierende staatliche Gewalt mehr existiert (Irak, Syrien, Libyen, Jemen, ...).
Wir hatten Gastarbeiter geholt und waren froh über diese billigen Arbeitskräfte die unseren Wohlstand mehrten. Mit der weiter gehenden technologischen Entwicklung und den Folgen der Ölkrise sank der Bedarf an Hilfsarbeitern erheblich, die Konkurrenz um Arbeitsplätze in diesem Bereich stieg an, ebenso der Fremdenhass. Gleichzeitig nahmen die Unruhegebiete im Osten und Südosten stark zu und es drängten die Verfolgten zu uns. Und viele mit Deutschem Schäferhund wollten Heim ins Reich. Am rechten politischen Rand einstanden neue Parteien wie z.B Die Republikaner (Kurzbezeichnung: REP), deren primäre Strategie das Spiel mit den dumpfen Gefühlen gegenüber Ausländern war.
Die Konservativen (Christliche Union) und die Sozialdemokraten ebneten diesen Rattenfängern den Weg. So meinte Bundeskanzler Kohl am 28. Oktober 1982 zur britischen Regierungschefin Margaret Thatcher, man müsste die Zahl der Türken bei uns um 50 % reduzieren (SPIEGEL). Hessens damaliger Ministerpräsident Holger Börner (SPD) forderte, der Zuzug von Ausländern müsse "rigoros gestoppt" werden. Kohls Vorgänger Helmut Schmidt wird im Sommer 1982 im "Stern" mit dem Satz zitiert: "Mir kommt kein Türke mehr über die Grenze." Sein Kanzleramtsminister Hans-Jürgen Wischnewski mokierte sich über die Muslime, die "ihren Hammel in der Badewanne schlachten".
Kein gutes Klima für Ausländer und den Asylparagraphen des Grundgesetzes. Auch kein Wunder, dass es dann nicht mehr ewig dauerte bis es zu schlimmen Auseinandersetzungen mit Ausländern kam, bis zum Abbrennen von Wohnhäusern inklusive den Bewohnern. Mit der Wiedervereinigung und dem verstärkten Zustrom aus dem Osten stieg die Zahl der realen Arbeitslosen stark an und die Moral war keinen Cent mehr wert. So kam es 1993 zu einer verlogenen Änderung des Grundgesetzes bezüglich des Asyls. Ehrlicher wäre es gewesen diesen Paragraphen endlich ersatzlos aus dem Grundgesetz zu streichen und die Verfahren alleine über Gesetze und Verordnungen zu regeln. Aber man wollte den verlogenen moralischen Anspruch weiter gelten lassen und erweiterte den Asylanspruch um die Regelung, dass man nur Asyl genießen kann, wenn man nicht über einen sicheren Drittstaat einreist. Alle EU-Mitglieder gehörten automatisch zu den sicheren Staaten und nach kurzer Zeit wurden auch die östlichen Nachbarn zu sicheren Drittstaaten erklärt. Die höchste Stufe der moralischen Rigorosität wurde erreicht. Asyl kann praktisch nur noch der bekommen, der mit dem Fallschirm über der Bundesrepublik abspringt. Und die Diskriminierung und Verfolgung von Sinti und Roma in sicheren Staaten der EU, kann doch entsprechend unserem Grundgesetz, gar nicht sein.
Trotz allen juristischen Spitzfindigkeiten nimmt der Zustrom der Elenden täglich zu - sogar ohne Fallschirmabsprung. Es entstehen neue politische Bewegungen am rechten Rand und es kommt wieder verstärkt zu Ausschreitungen gegen Fremde. Sowohl die Politik als auch große Teile der Bevölkerung sind im Prinzip sprachlos. Kann man sehr schön an den Lösungsvorschlägen festmachen:
Wir brauchen eine gelenkte Zuwanderung und sollten Aufnahmebüros jenseits des Mittelmeeres aufbauen. Wie naiv muss man sein zu glauben, abgelehnte Bewerber würden dann auf die Flucht verzichten?
Wir sollten Vorort mit Entwicklungshilfe massiv helfen. Viel Spaß damit in gefallenen Staaten in denen Bürgerkrieg und Korruption herrschen und eine wirkliche staatliche Präsenz nicht mehr vorhanden ist. Auch hat die staatlich gesteuerte Entwicklungshilfe die letzten Jahrzehnte auf voller Breite versagt. Geld löst nicht immer die Probleme. Oft ist es die Ursache von Problemen.
Wir sollten die Grenzen dicht machen. Versucht die EU doch. Technologisch hochwertige Zäune stehen zwischenzeitlich an den gefährdeten Landgrenzen. Funktioniert aber praktisch an unseren Seegrenzen nicht. Soll Deutschland jetzt die EU verlassen und sich einzäunen? Inverse DDR 2.0 quasi? Den Limes müssten wir schon jenseits des Mittelmeeres errichten, dort wo die Flüchtlinge ins Boot steigen. Dazu müssten wir aber die Wehrpflicht wieder einführen. Es werden dazu viel Personal und viele Särge gebraucht. Unsere früheren Helfer, wie z.B. Muammar al-Gaddafi, haben wir in einem Anfall geistiger Umnachtung leider erledigt. Eine weitere Möglichkeit ist der Abschuss der Boote beim Eindringen in die Hoheitsgewässer - mag man jetzt noch nicht so richtig, schaut aber gerne beim Absaufen weg.
Wir sollten sie dorthin zurück schicken wo sie her kamen. Leider auch nicht so einfach. Die potentiellen Adressen lassen sich oft nicht ansprechen. Früher haben wir sie einfach über das Mittelmeer an die entsprechenden Anrainerstaaten ausgeliefert. Was dann mit ihnen geschah interessierte hier keinen mehr. Diese Möglichkeit haben wir uns aber mit der Förderung des "arabischen Frühlings" verbaut.
Wir sollten die Schlepperbanden militärisch bekämpfen und ihre Boote versenken. Ist mit dem internationalen Recht und den Grundsätzen der christlichen Seefahrt nicht so einfach vereinbar. Und sicher ist die Methode auch nicht. Bevor man sich umschaut werden Fischerboote versenkt und dann? Dieser Vorschlag berücksichtigt auch nicht wie viele Seelenverkäufer in allen möglichen Größen existieren. Man braucht die Flüchtlinge ja nur auf See hinaus zu bringen und schon werden sie gerettet oder etwa nicht mehr?
Unser Innenminister meint sinngemäß, wir sollten die Elenden nicht zu gut behandeln und das Asylverfahren streng durchführen, also in die Länge ziehen. Das würde der Abschreckung dienen. Ansonsten würde der Zustrom weiter ansteigen. Und so werden die Asylbewerber für viele Monate - oft Kriegsflüchtlinge deren Status innerhalb von Tagen klärbar wäre - in Bruchbuden zusammengepfercht. Diese Bruchbuden sind dann für den Immobilienbesitzer ein gutes Geschäft während gleichzeitig der Wert der Nachbarhäuser den Bach runter geht. Mancher der Besitzer der Asylbewerberunterkünften ist Neubesitzer und nicht selten mit den Zuständigen aus Politik und Verwaltung verwandt. Diese Politik der Abschreckung fördert nur den Fremdenhass und bei Betrachtung der Verhältnisse aus denen die Flüchtlinge kommen, wird diese Abschreckung eine nur sehr geringe Wirkung entfalten. Andere sehen in den Elenden einen großen Pool an billigen Arbeitskräften und behaupten damit unsere Rentenprobleme lösen zu können. Nicht verwunderlich, dass die einheimischen Arbeitnehmer, denen diese potentielle Konkurrenz droht, nicht mit Begeisterung zuschauen. In den sogenannten Neuen Bundesländern ist momentan die Abwehrhaltung besonders groß. Dort gibt es die Arbeitsplätze nicht beliebig und man befürchtet die sozialen Transferleistungen müssten durch mehr Köpfe geteilt werden. So ist der Zustrom der Elenden für die einen ein Geschäft und vergrößert für manch anderen die Gefahr des wirtschaftlichen Abstiegs. Unrecht haben manche nicht wenn sie meinen: "Ist das Elend nicht mehr draußen, herrscht es bei uns!"
Sehr viele Flüchtlinge kommen aus Syrien und dem Irak. Nicht überraschend bei den dort vorherrschenden Bedingungen. Im Irak ist man einmarschiert um Vernichtungswaffen zu zerstören die der Bundesnachrichtendienst, eine Filiale der CIA, geortet hatte. Als es schwierig wurde hat man den Schwanz eingezogen und einen Staat zurückgelassen, der die Brutstätte der ISIS (Islamischer Staat im Irak und in Syrien), der sunnitischen arabischen Gotteskrieger, wurde. Und das Regime in Syrien sollte weg. Immerhin kollaborierte es mit dem Iran und Russland.
Während früher im Irak die Minderheit sunnitischer Araber über Juden, Christen, Kurden, Jesiden und Schiiten herrschte, waren es in Syrien die Minderheiten der Alawiten, der Drusen und der Christen, welche über die überwiegende Mehrheit der arabischen Sunniten herrschten. Typische Ergebnisse der Kolonialzeit. Nutze (fördere) eine ausreichend starke Minderheit um deine Position zu festigen. Sie wird dir treu ergeben sein.
Um Bashar al-Assad und seine Sippe in Syrien zu stürzen hat der Westen die Gotteskrieger, zusammen mit seinen Freunden vom Golf und aus Saudi-Arabien, kräftig finanziell und mit Waffen unterstützt. Sogar die Bundeswehr musste in die Türkei um den türkischen Flugraum abzusichern damit die Türkei ungestört die Gotteskrieger unterstützen kann und konnte. Und nun haben wir den Salat. Der Islamische Staat (IS) will alle vertreiben oder umbringen welche keine "gläubige" (arabischen) Sunniten sind. Und somit hat unser Innenminister, angesichts der von dort ausgehenden terroristischen Gefahr, die Argumente alle Bundesbürger grundlos bis in die intimsten Bereiche zu überwachen und diese Daten der NSA zukommen zu lassen. An den Kollateralschäden des westlichen Handelns in der arabischen Welt kann man erkennen wohin moralische Gefühle, abseits aller Vernunft, führen. Aber wir haben nichts gelernt ... siehe unser Handeln in Osteuropa.
In der Vergangenheit war Deutschland strikt gegen eine proportionale Aufteilung der Flüchtlinge auf die verschiedenen EU-Staaten. Man hat sich hinter seiner Drittstaatenregelung verschanzt. Nachdem jetzt den südlichen EU-Staaten die Problematik über den Kopf wächst und sie die Flüchtlinge einfach ziehen lassen, wäre Deutschland für eine proportionale Verteilung. U. a. sind momentan aber Frankreich und Großbritannien dagegen, ausgerechnet diese beiden Staaten, die neben den USA mit am heftigsten Libyen zusammen geschossen haben. Übrigens, die USA haben sich noch nicht gemeldet Flüchtlinge aufzunehmen. Sie spielen nur den Oberschulmeister wie vor kurzem in Asien.
In unserer Gesellschaft hat, mit politischer Unterstützung, eine Ausgrenzung begonnen. Diejenigen die für den ungezügelten Zuzug sind, sind die Guten und diejenigen die diesen Zuzug kritisch oder ängstlich sehen, sind die Bösen. Viele versuchen dieses Thema politisch auszuschlachten. Manche extrem rechte Parteien wittern wieder Morgenluft. Dabei bringt es überhaupt nichts dagegen oder dafür zu sein. Keiner hat eine durchdachte Lösung die auch nur im Ansatz funktionieren würde und Fehler der Vergangenheit sind nicht ungeschehen zu machen.
Auch baer45 hat nicht die "einfache Lösung". Es wird wohl nur ein Durchwursteln möglich sein. Schön wäre es, wenn die öffentliche Diskussion diesbezüglich ehrlicher würde und die Informationspolitik offener. Es wird auch höchste Zeit zu kommunizieren was sehr wahrscheinlich noch alles auf uns zukommen wird. Z.B. aufblasbare Zelte mit Flüchtlingen auf Stadtplätzen, die weitere Beschlagnahmung von Sportstätten usw.. Zuzugeben dass man die einfache Lösung nicht hat bricht keinem Politiker einen Stein aus der Krone. Offen und ehrlich über die Vergangenheit und die Zukunft zu diskutieren kann eventuell helfen, geostrategische Fehler der Vergangenheit zukünftig zu vermeiden und die Stimmung im Lande bürgerlich anständig zu halten. Man könnte dann sicherlich auf die anlasslose Massenüberwachung (Vorratsdatenspeicherung) verzichten. Moral ist schön und gut, hat aber in der Geostrategie nichts verloren. Oder wollen wir gegen die Mehrheit der Staaten auf diesem Globus in den Krieg ziehen? Und wer würde diesen Krieg gewinnen? Sicherlich nicht die Moral!
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